
Die Behandlung von Essstörungen ist anspruchsvoll und erfordert viel Geduld, Empathie und interdisziplinäre Zusammenarbeit. Behandelnde stehen oft vor spezifischen Herausforderungen, die die Therapie erschweren. In diesem Artikel beleuchten wir einige der größten Hürden und zeigen, wie diese gemeistert werden können. Zudem werfen wir einen kurzen Blick darauf, wie digitale Tools unterstützend eingesetzt werden können.
Ambivalenz gegenüber der Therapie
Viele Patient:innen mit Essstörungen erleben eine starke Ambivalenz in Bezug auf ihre Behandlung. Während sie auf der einen Seite unter den Symptomen leiden, fürchten sie auf der anderen Seite die Veränderung und den Kontrollverlust. Besonders bei Anorexia nervosa zeigt sich oft eine tiefe Identifikation mit der Krankheit, was die Bereitschaft zur Veränderung erschwert. Studien wie die von Treasure et al. (2020) zeigen, dass Motivational Interviewing (MI) eine effektive Methode sein kann, um innere Widerstände zu bearbeiten und die Eigenmotivation der Patient:innen zu fördern. Die schrittweise Erarbeitung von individuellen Zielen unter Einbezug der persönlichen Werte kann helfen, die Angst vor dem Veränderungsprozess zu verringern.
Körperbildverzerrung und kognitive Verzerrungen
Eine der größten Herausforderungen in der Therapie ist die tief verankerte Verzerrung der Körperwahrnehmung. Studien legen nahe, dass selbst nach erfolgreicher Gewichtsrehabilitation weiterhin kognitive Verzerrungen bestehen (Fairburn, 2008). Hier hat sich die kognitive Verhaltenstherapie (CBT) als besonders effektiv erwiesen, indem sie hilft, destruktive Denkmuster aktiv zu hinterfragen und durch realitätsnahe Überzeugungen zu ersetzen. Spiegelkonfrontationen und achtsamkeitsbasierte Techniken haben sich ebenfalls als hilfreich erwiesen, um eine realistischere Selbstwahrnehmung zu fördern. Digitale Plattformen wie Selphspace bieten Psychoedukation sowie achtsamkeitsbasierte Übungen an, die Betroffenen helfen können, ihre destruktiven Glaubenssätze aufzudecken und ein bewussteres Körpergefühl zu entwickeln.
Widerstände und Therapieabbrüche
Ein häufiges Problem in der Behandlung von Essstörungen sind Therapieabbrüche. Diese Abbrüche resultieren oft aus Überforderung, mangelnder Einsicht in die Erkrankung oder negativen Therapieerfahrungen in der Vergangenheit. Eine Metaanalyse von Linardon et al. (2019) zeigt, dass eine stabile therapeutische Beziehung das Risiko eines Abbruchs signifikant senken kann. Regelmäßige Feedbackgespräche, eine transparente Kommunikation und ein partizipativer Therapieansatz – also die gemeinsame Erarbeitung von Zielen – haben sich als wirksame Strategien erwiesen, um die Behandlung langfristig erfolgreich zu gestalten. Essprotokolle, auch in digitaler Form wie bei Selphspace, können in solchen Fällen dabei helfen, den Verlauf der Therapie zu dokumentieren und Patient:innen die eigene Entwicklung sichtbar zu machen.
Die Rolle der Familie und des sozialen Umfelds
Familie und Freunde spielen eine zentrale Rolle im Verlauf der Essstörung. Unterstützende Angehörige können die Genesung erheblich fördern, während dysfunktionale familiäre Muster den Krankheitsverlauf verschlechtern können. Die Integration der Familie in den Therapieprozess, insbesondere durch familienbasierte Therapieansätze wie die Maudsley-Methode (Lock & Le Grange, 2019), hat sich als effektiver Ansatz bei Jugendlichen erwiesen. Hierbei übernehmen die Eltern eine aktive Rolle in der Unterstützung der Ernährungsstabilisierung, was sich als wirksam für eine langfristige Remission gezeigt hat. Psychoedukationsprogramme, die auch Angehörige einbeziehen, können hier unterstützend wirken.
Rückfälle und langfristige Stabilisierung
Essstörungen haben oft einen chronischen Verlauf mit einem hohen Rückfallrisiko. Stress, emotionale Belastungen oder einschneidende Veränderungen im Leben können alte Muster reaktivieren. Langfristige Rückfallpräventionsprogramme, die regelmäßige therapeutische Check-ins, Achtsamkeitstechniken und die Erarbeitung individueller Frühwarnsignale beinhalten, sind entscheidend für die nachhaltige Stabilisierung (Berends et al., 2018). In der Selphspace-App können Patient:innen sich einen digitalen Notfallkoffer erstellen, der bewährte Skills aus der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT) beinhaltet und somit in akuten Krisensituationen unterstützend wirken kann. Ebenso helfen digitale Verhaltensanalysen dabei, individuelle Auslöser zu identifizieren und gezielt an deren Bewältigung zu arbeiten.
Fazit
Die Therapie von Essstörungen ist mit zahlreichen Herausforderungen verbunden, die eine individuell angepasste Herangehensweise erfordern. Forschungsergebnisse unterstreichen die Bedeutung einer stabilen therapeutischen Beziehung, kognitiv-verhaltenstherapeutischer Strategien sowie einer engen Einbindung des sozialen Umfelds. Digitale Tools können hierbei eine wertvolle Unterstützung bieten, indem sie Patient:innen zwischen den Sitzungen begleiten, Muster aufzeigen und in akuten Situationen Hilfestellung bieten.
Quellen
Berends, T., Boonstra, N., van Elburg, A., & de Jong, C. (2018). Relapse in Anorexia Nervosa: A systematic review and meta-analysis. European Eating Disorders Review, 26(2), 127-135.
Fairburn, C. G. (2008). Cognitive Behavior Therapy and Eating Disorders. The Guilford Press.
Linardon, J., Wade, T. D., de la Piedad Garcia, X., & Brennan, L. (2019). The efficacy of cognitive-behavioral therapy for eating disorders: A systematic review and meta-analysis. Journal of Consulting and Clinical Psychology, 87(1), 91-105.
Lock, J., & Le Grange, D. (2019). Treatment Manual for Anorexia Nervosa: A Family-Based Approach. The Guilford Press.
Treasure, J., Schmidt, U., & Macdonald, P. (2020). The Clinician’s Guide to Collaborative Caring in Eating Disorders. Routledge.